Sunday, July 6, 2008

Fall Imfeld/Leumi – Ein Justizskandal

Diese Fassung weicht geringfügig von der Zeitungsversion ab, da in letzterer einige kleine Fehler vorkommen.

Sonntag / MittellandZeitung; 06.07.2008; Seite 26
Wirtschaft
Bank Leumi: Prozess voller Minenfelder

Verteidiger Bernard Rambert spricht von einer Bankrotterklärung der Staatsanwaltschaft


Zuschauer mit Sitzleder genossen von Mittwoch bis Freitag am Zürcher Bezirksgericht eine veritable Tragikomödie: Der Ex-Starbanker der Bank Leumi (Schweiz), Ernst Imfeld, musste dort, zusammen mit fünf Mitangeklagten, Red und Antwort stehen. Ihnen wird vorgeworfen, Kundengelder veruntreut zu haben.
Doch obwohl der Hauptangeklagte Imfeld teilweise geständig ist, ist keineswegs klar, ob es zu Verurteilungen kommt. Imfelds Verteidiger Bernard Rambert übte denn auch harte Kritik am Schweizer Justizsystem und dessen Umgang mit Wirtschaftskriminalität. Zuweilen kam in den Zuschauerreihen fast Mitleid mit Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel und dem Gerichtspräsidenten Sebastian Aeppli auf, der den staatsanwaltlichen Schlamassel ausbaden muss.
Es ist normal, dass die Verteidigung auf vermeintliche Schwächen der Anklage hinweist. Nur, in diesem Fall teilen alle vom «Sonntag» befragten Juristen diese Meinung. So bezeichnete Rambert die unerlaubte Änderung der Anklage als eine Bankrotterklärung der Staatsanwaltschaft.
Was ist das Problem? Der ehemalige Staatsanwalt Landshut hätte aus juristischen Gründen die Bank und nicht die Kunden als Geschädigte untersuchen sollen, um zu klären, wie Imfeld über zehn Jahre lang die Bankführung hatte täuschen können. Dieses Versäumnis lässt sich nun aber kaum mehr korrigieren, und schon deshalb ist sogar ein Freispruch für den teilweise geständigen Angeschuldigten nicht ausgeschlossen.
Hinzu kommen andere unverständliche Schnitzer der Staatsanwaltschaft: Obwohl Landshut die Bank Leumi als Hauptnutzniesserin von Imfelds Machenschaften und den dadurch angefallenen Bankspesen ansieht und behauptet wird, dass die Bank im Verlauf der Jahre konkrete Hinweise auf Imfelds illegale Tätigkeiten deshalb missachtet habe, sass auf der Anklagebank kein anderer Leumi-Exponent als Imfeld – weder einer vom Management noch einer vom Verwaltungsrat. Im Aufsichtsgremium hatten wichtige Persönlichkeiten wie die zwei Ex-Präsidenten der jüdischen Dachorganisation, Michael Kohn und Rolf Bloch, Einsitz.
In einer Stellungnahme schreibt Leumi: «Die Bank hatte keinerlei Kenntnis von Verfehlungen oder verbrecherischen Handlungen des Angeklagten.» Es sei falsch, dass die Bank von den Machenschaften von Ernst Imfeld profitiert habe. Das Gegenteil sei der Fall.
Wie dem auch sei: Ohnehin lässt sich keine klare Logik hinter der Aufstellung der Mitangeklagten-Liste erkennen. So wurde ein einfacher Angestellter einer externen Firma angeklagt. Gleichzeitig wurden zwei Verwaltungsräte, obwohl in den Fall involviert, verschont. Dasselbe gilt für einen dubiosen Fotografen, der im Besitz heikler Bilder sein soll: Nur dessen vermeintlicher Juniorpartner kam vor Gericht.
Im Hinblick auf die Hauptverhandlung reichten Leumi und ihre Versicherer Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe gegen die Angeklagten ein. Dieser Schuss droht nun nach hinten loszugehen. Denn es ist nicht nur so, dass keiner der Angeschuldigten nennenswerte Vermögen deklariert, sondern sich Leumi jetzt mit einer Reihe unangenehmer Fragen konfrontiert sieht.
Alle Angeklagten fordern die Offenlegung der genauen Klienten-Entschädigungen. Sie verlangen Beweise, dass Leumi tatsächlich 229 Millionen Franken auszahlte. Leumis Anwalt, Andreas Hünerwadel, will dieser Forderung nicht nachkommen, denn das Institut würde damit gegen das Bankgeheimnis verstossen. Dies, obwohl – zumindest Imfeld – alle Kunden kennt.
Ein anderes Minenfeld tut sich mit der Forderung der Versicherer auf. Da solche in der Regel nicht zahlungsfreudig sind, stellt sich die Frage, warum sie hier die Auffassung des ehemaligen Staatsanwalts Landshut nicht teilen, dass Leumi durch die gravierende Vernachlässigung der Kontrolle den Vorwurf des Mitverschuldens auf sich bürdete. Es ist insofern nicht verwunderlich, dass zwei Verteidiger im Gerichtssaal auf einen möglichen unsauberen Deal zwischen Leumi und den Versicherern hinwiesen.
Ein Verdacht, welcher durch die nicht klare Identität des wirklichen Versicherers bestärkt wird. Hinzu kommt, dass nur 36 Prozent des Schadens gedeckt wurden. Leumi behauptet, dass die Zahlung von 83 Millionen Franken den Bedingungen der Police entsprochen habe. Die entsprechenden Dokumente, die der Anwalt der Versicherer inzwischen lieferte, sind indes nicht vollständig. Daher bleibt ein ungutes Gefühl.
Shraga Elam
s.a. http://shraga-elam.blogspot.com/2008/07/der-fall-imfeld-kommt-endlich-vor.html

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